oltero, ein stämmiger Latino, ist selbst in Hollenbeck aufgewachsen, in einem weißen Häuschen an der 5th Street, an dem er heute täglich vorbeipatrouilliert. Er kannte sie schon als Kind: die 8th Street Gang, die Cuatro Flats Gang, die East L.A. Dukes, die Ghetto Style Crew, die Opal Street Gang, die Sentinel Boys, die Varrio Nuevo Estrada, die White Fence Gang (WF). "Ich interessierte mich mehr für Football", sagt er. Sechs Jahre lang diente er bei der Air Force; 1988 ging er zum LAPD. Vor zwei Jahren kehrte er zurück nach Hollenbeck.
Als Soltero den verdächtigen Kapuzen-Mann einholt, sind seine Kollegen bereits zur Stelle. Vier Beamte, alle selbst Latinos, umzingeln den Teenager. Sie legen ihm Handschellen an und befragen ihn. Der picklige Junge, der unter der Kapuze eine Baseballkappe mit der Aufschrift "Joey" trägt, leistet keinen Widerstand.
"Achte auf die Kleinigkeiten"
Officer Jose Vazquez, ein Hüne mit enormem Bizeps, erstattet Bericht. "17 Jahre alt, keine Waffe", sagt er. "White Fence?", fragt Soltero. Vazquez zuckt die Schultern. "Wir nehmen ihn mal mit." Soltero nickt. "Right on", murmelt er, auf seinen Bordcomputer zwischen den Vordersitzen eintippend. Right on. Weiter so.
Der Kampf gegen die Gangs ist, anders als in TV-Krimis, ein langwieriges, mühseliges, oft bürokratisches Geschäft. Stunden, Tage verstreichen, ohne dass etwas passiert, und doch ist jedes minutiöse Detail wichtig: jede auffällige Person, jede Gruppe am Straßenrand, alles, was "nicht ins Bild passt", wie Vazquez später bei einer nächtlichen Kaffeepause erklärt.
Nichts entgeht ihrem Blick: Obdachlose, lärmende Kids, der "alte Bekannte" in den Schlabberjeans. "Nicht rumlungern", brüllt ihm Soltero zu. Es ist eine Strategie, die LAPD-Boss Bratton schon in den neunziger Jahren als New Yorker Polizeichef erfolgreich angewandt hat. "Broken windows theory" hieß das damals: "Achte auf die Kleinigkeiten wie kaputte Fenster", sagt Soltero, "und der Rest wird schon werden."
Zehn Stunden dauert ihre Schicht, viermal die Woche. Dafür werden sie besser bezahlt als viele andere Cops. "Gefahrenzulage", grinst Vazquez, 39, der "mehr als 100.000 Dollar" im Jahr verdient. Plus Überstunden natürlich.
Vazquez fährt seit neun Jahren Gang-Streife in Hollenbeck. Schießereien, Serienmorde, Verfolgungsjagden: Nichts ist ihm mehr fremd. Gestern erst habe sich ein Gang-Mitglied stundenlang verbarrikadiert und seine Freundin als Geisel genommen. "Der Mann war total high", sagt Vazquez und beißt in einen Donut.
Diese Nacht ist dagegen relativ ruhig. Zwei junge Mädchen nähern sich Soltero, Vazquez und deren Cop-Kollegen Sal Flores, 35, und Jeff Norat, 41. Sie kichern, flüstern etwas auf Spanisch. Norat, ein Ex-Marineinfanterist aus der South Bronx, schenkt ihnen zwei Baseball-Sammlerkarten: "Und jetzt ab nach Hause!"
Gute Beziehungen zu den "Zivilisten" sind entscheidend im Gang-Krieg. "Ohne deren Tipps wären wir aufgeschmissen", sagt Soltero. "Leider trauen sich viele nicht. Sie leben in Angst." Zweimal im Monat veranstaltet das Revier "community meetings", bei denen die Leute ihre Sorgen loswerden können. Morgen ist Solteros Einheit zu einer Barbecue-Party in einem Gemeinschaftsgarten eingeladen.
Lauerstellung im Treppenhaus
Soltero fährt weiter. Er sucht nach neuen Graffiti, mit denen die Gangs ihre Territorien markieren, die oft von einer Straßenseite zur anderen wechseln können. So an der Avenida Cesar Chavez, der Schlagader des Viertels, gesäumt von Taco-Ständen, Schnellimbissen und Tankstellen: Alle Verkehrsschilder sind mit "WF" besprüht, dem Kürzel für die White Fence Gang, die sich nach dem Zaun der 4th Street Bridge am Los Angeles River nennt. In den dreißiger Jahren als Reaktion auf Rassengewalt gegründet, ist diese älteste Gang der Gegend heute eine brutale Bande mit 2000 Mitgliedern.
Überall sind die "WF"-Insignen zu sehen: auf Schildern, Mülltonnen, Mauern, Fassaden, Garagentoren. An einer Ecke parkt ein Truck mit einem Graffito der rivalisierenden Cuatro Flats Gang. "Das gibt Ärger", sagt Solero und gibt das Nummernschild an die Zentrale durch.
Schließlich trifft er wieder auf Vazquez' Streifenwagen, dunkel und verlassen in einer Siedlung geparkt. Vazquez und Flores selbst finden sich, in ihren nachtschwarzen Uniformen kaum sichtbar, in einem Treppenhaus kauernd, mit Blick aufs Nachbarhaus. Dort, flüstert Vazquez, solle sich ein Anführer der 8th Street Gang aufhalten, den sie seit zwei Wochen suchen. "Vielleicht kommt er ja raus." Solero nickt. "Right on", sagt er müde. Weiter so.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0 ... -2,00.html
BANDENKRIEG IN L.A. Teil 2.
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste